Ein Besuch im Pfarr- und Dekanatsarchiv im Widum stand für die Sänger des Kirchenchores Stilfes schon seit längerem auf dem Programm: Ende März stellte Josef Gasteiger den Chormitgliedern den von ihm im Jahr 2008 geordneten historischen Musikalienbestand vor.
Zunächst gab Helmuth Wieser einen Einblick in das umfangreiche Pfarr- und Dekanatsarchiv, dessen älteste Akten auf das 12. Jahrhundert zurückgehen. Josef Gasteiger, Musikarchivar und Leiter der Chronistengruppe Sterzing, zeigte anschließend den Chormitgliedern das Archiv. „Bei der Suche nach Hinweisen zu den Bemühungen des Fürstbischofs von Brixen Bernhard Galura (1791 – 1854) um die Herausgabe eines kirchlichen Volksgesangsbuches habe ich im Pfarrarchiv von Stilfes überraschend alte Musikalien und Dokumente zur Chortradition gefunden. Im Einvernehmen mit der Pfarre konnte ich diese bisher unbekannte Sammlung ordnen und inventarisieren“, so Gasteiger.
Ein für das Wipptal einmaliges Schriftgut, das eigens für Stilfes geschrieben wurde, ist das im Pfarrarchiv deponierte Missale mit lederverkleidetem und metallbeschlagenem Holzdeckel, das 141 Blätter umfasst. Es handelt sich dabei um eine Musikhandschrift auf Pergament mit farbig figurierten Initialen, die als Sammlung alter Choralhandschriften entstanden sein könnte.
Zwei Choralbücher zur Liturgie der Karwoche mit dem Titel „Cantus ecclesiasticus“ zählen ebenso zu den Besonderheiten des Bestandes. „Das ältere, mit vielen handschriftlichen Randbemerkungen zur Aufführungspraxis aus dem Jahr 1666, ist wohl das älteste in Südtirol“, betonte Gasteiger.
Von besonderer lokaler Bedeutung sind die vielen handschriftlichen Musikalien von Josef Alois Holzmann, einem Kirchenmusiker um 1800. Eine Rarität stellt das handgeschriebene Gesangsbuch des Antonius Maurer, Organist in Axams, aus dem Jahr 1773 dar mit 215 Liedern „Zur Muttergottes und allen Heiligen“. Insgesamt sind in dem von Josef Gasteiger erschlossenen historischen Musikalienbestand rund 150 Einzelhandschriften aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie etwa 300 Einzelstücke abgelegt.
Interessant sind auch ausführliche Dokumente zur Chorgeschichte und Musizierpraxis in der Erzpfarre Stilfes aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals gab es immer wieder Ermahnungen durch die Pfarrer von Stilfes, die auch Dekane waren, zur Einigkeit unter den Chormitgliedern von Trens und Stilfes. Sie bestanden darauf, dass es nur einen Kirchenchor geben sollte, der in beiden Kirchen sang und dass die Musikalien und Instrumente für beide Kirchen einzusetzen seien. Es durften fast nur männliche Personen im Kirchenchor singen und musizieren. Es gab nur vier Sänger, die im Quartett sangen und bei vielen Chorwerken von vielen Instrumentalisten begleitet wurden. Aus jener Zeit liegen fünf Dokumente vor, in denen die Namen der „Musikgesellschaft“ aufgelistet waren und auch die Verzeichnisse der Musikalien und Instrumente sowie die Chorverpflichtungen.
Von den Ausführungen Gasteigers waren die Mitglieder des Kirchenchores Stilfes um Chorleiterin Maria Rubatscher und Organist Manuel Schiabello sehr beeindruckt. Obfrau Christina Del Toro bedankte sich im Namen des Chores beim Referenten mit einem Präsent und lud anschließend zu einem Umtrunk.
Der Kirchenchor Stilfes singt an besonderen Fest- und Feiertagen. Für den Pfingstsonntag ist in der Pfarrkirche zum hl. Petrus die Aufführung der „Missa Beati Omnes“ von Valentin Rathgeber mit Orchesterbegleitung geplant.
Im Bild Referent Josef Gasteiger (4. v. l.) mit Vertretern des Kirchenchores Stilfes: (v.l.) Erwin Hasler, Maria Rubatscher, Manuel Schiabello, Silvia Raffl Huebser, Christina Matzler Del Toro, Rita Thaler Wieser und Oswald Sieder.