Das gemeinsame Abendessen, das Vorlesen beim Zubettgehen, das Geburtstagfeiern oder das Abschiedsfest von der Wohngemeinschaft: diese Rituale begleiten die Kinder und Jugendlichen, die in den Wohngemeinschaften im Südtiroler Kinderdorf leben, durch den Alltag. Es sind Familienrituale, die nicht nur Vertrauen und Gemeinschaft schaffen, sondern eine wichtige zusätzliche Funktion haben.
Rituale geben den Kindern und Jugendlichen Sicherheit und Orientierung und haben eine sehr vergewissernde und beruhigende Wirkung. Rituale sind vorhersehbar und berechenbar, werden also schnell zu einem Bestandteil des Lebens, in dem sich Kinder und Jugendliche gut auskennen und zurechtfinden. Gerade in Zeiten der Krise, der Identitätsfindung, des Umbruchs sind Rituale wichtiger denn je.
Ein Ritual in der Jugendwohngemeinschaft Juwog ist etwa der wöchentliche Küchendienst: Der Koch oder die Köchin gibt das jeweilige Startzeichen zur gemeinsamen Mahlzeit und darf auch das gemeinsame Fernsehprogramm auswählen. „Ersteres soll allen Jugendlichen einen Moment des Sichtbar-Werdens und der unmittelbaren Selbstwirksamkeit verschaffen, zweiteres eine symbolische Wertschätzung für den Dienst an die Gemeinschaft zum Ausdruck bringen“, erzählen die Sozialpädagog:innen aus der Wohngruppe.
In der Kleinkinderwohngemeinschaft Momo, wo Kinder zwischen 3 und 8 Jahren zusammenwohnen, kommt der Beziehungsarbeit eine große Rolle zu und der Abschied bei gewissen Übergängen wird herzlich zelebriert. Ob es ein Erzieher:innenwechsel ist, der neue Kindergarten oder der Geschwisterbesuch: Es gibt eine innige Umarmung, ein gemeinsames Zählen bis 10 und dann noch einen Handschlag: entweder ein „high five“ oder ein „fist bump“.
In der Woge, wo die Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren untergebracht sind, läuft am Freitagnachmittag viel laute Musik: der wöchentliche Hausputz steht da an. Der Dienstag ist der Pizza-Tag, wo alle mithelfen und an dem Tag, an dem ein Jugendlicher wieder die Wohngemeinschaft verlässt, steht ein Fest an, mit einem Geschenk, das an die gemeinsam verbrachte Zeit erinnern soll.
Rituale schaffen einen Schutzrahmen
Kinder und Jugendliche brauchen Verlässlichkeit und Rituale bieten durch ihre Wiederholbarkeit einen Rahmen. Gerade um Krisen zu bewältigen, sind Rituale ein wertvolles sozialpädagogisches Hilfsmittel: sie bewirken eine positive Grundstimmung und schaffen Gemeinschaft.