Gesellschaft
Aktionstage gegen Gewalt an Frauen
28.11.2024
Genau hinschauen. Nicht wegschauen. Hoffnung für eine gewaltfreie Zukunft säen. Hunderte Frauen und Männer haben an den Aktionstagen vom 23. bis zum 27. November im Wipptal teilgenommen und damit ein klares Zeichen gesetzt: Gewalt – egal in welcher Form auch immer – ist durch nichts zu entschuldigen.
Bei der Auftaktveranstaltung „Die Frau und ihre Unabhängigkeit“ informierten Raika-Kundenberaterin Sabine Walter und Juristin Marion Di Gallo Oberhollenzer, wie Frauen finanziell vorsorgen können und klärten Fragen zum Familien- und Erbrecht.
Mehr als 300 Frauen und Männer nahmen am Marsch „Walk a Mile“ gegen Gewalt an Frauen durch die Stadt teil. Anschließend berichteten zwei Frauen im CASARCI über ihren langen und schwierigen Weg aus der häuslichen Gewalt und machten anderen Frauen Mut, es ebenfalls schaffen zu können.
Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, moderierte Verena Pliger im Stadttheater eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wege aus der Gewalt“. Gäste waren Katrin Gottardi (Mitarbeiterin Frauenhausdienst Brixen), Andrea Fleckinger (Sozialwissenschaftlerin Universität Trient), Francesco Lorenzi (Carabinieri-Kommandant Sterzing) und Guido Osthoff (Leiter der Männerberatung).
Der Künstler Stefan Plank las im LURX – Raum für Kunst und Kultur drei Stunden lang Textfetzen aus feministischer Literatur und Literatur von Autorinnen, die vom patriarchal geprägten Kulturbetrieb in den Hintergrund gedrängt wurden.
Um „Starke Frauen im Porträt“ ging es beim Abend mit der Fitnesstrainerin Petra Unterfrauner. Sie erzählte von ihrer Entscheidung, einen sicheren Job hinter sich zu lassen, um Frauen durch körperliches Training zu mehr Gesundheit, Kraft und Wohlbefinden zu verhelfen.
Anna Maria Seehauser stellte in der Stadtbibliothek ihr Buch „Wenn Frauen erzählen, dann sollten wir zuhören. Auch die Männer!“ vor. Darin erzählt sie ihre eigene Geschichte und Lebenserfahrungen von Frauen. Ein Buch, das Frauen stärken und das Gefühl geben soll, nicht allein zu sein.
Weitere Zeichen, die die Wipptaler in diesen Tagen setzten: Ein rot beleuchteter Zwölferturm als Symbol für das vergossene Blut der Opfer, rote Stühle im Stadtzentrum als stille Mahnmale, Infomaterial in Betrieben, eine Lounge zum Lesen … In allen Gemeinden war die Ausstellung „Was hattest du an?“ zu sehen – eine Frage, die Betroffenen oft nach einer Vergewaltigung gestellt wird, als hätten sie Mitschuld daran. Neben persönlichen Geschichten zeigte die Ausstellung, was die Frauen tatsächlich trugen: ganz normale Alltagskleidung.
Liam Fiechter und Marlene Holzknecht drehten einen Kurzfilm, in dem u. a. Maschlmusig, die Broncos & Broncos Junior, Edith Gander, die Stadtpolizei Sterzing, Maximilian Strickner, die Brass Band Wipptal, die MC Falken, AFC Sterzing Damen, Jack Alemanno und die Bürgermeister des Wipptals sich klar gegen Gewalt positionierten. Die Plakate mit Aufschriften wie „Jeder einzelne Anruf zählt“, „Affen gaffen - Helden melden“, „Gewalt ist keine Lösung“, „Zivilcourage“, „Wir wollen uns lebend“, „Ti diamo forza e coraggio“ wurden von der zweite Klasse des Realgymnasiums Sterzing gestaltet.
Jedes Opfer ist eines zu viel
90 Prozent der Gewaltopfer sind Frauen. Weltweit wird jede dritte Frau oder jedes dritte Mädchen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. In Italien wird jeden dritten Tag eine Frau ermordet, in Deutschland sogar jeden Tag eine. 2023 wandten sich 760 Frauen an eine Beratungsstelle in Südtirol, um häuslicher Gewalt zu entkommen - 160 mehr als im Jahr 2022. Im Bezirk Eisacktal Wipptal meldeten sich 112 Frauen im Frauenhaus, davon 15 Wipptalerinnen. Die meisten hilfesuchenden Frauen sind zwischen 25 und 44 Jahre alt. Oft sind es die eigenen Kinder, die ihnen Mut dazu. Weil die betroffenen Mütter nicht wollen, dass ihr Sohn als Erwachsener so mit Frauen umgeht oder ihre Tochter es für normal hält, später als Frau so behandelt zu werden. 2024 haben im Wipptal 30 Frauen die Täter angezeigt, zehnmal sind die Carabinieri in Notfällen eingeschritten.
Rund 100 Männer haben 2023 das Anti-Gewalt-Training der Caritas absolviert, wo sie lernen, die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen.
Jeder Einzelne kann helfen, die Opfer zu schützen. Gewalt ist keine Privatangelegenheit. Im Gegenteil: Wir alle müssen reagieren. Wer schweigt, erlaubt den Tätern, weiterzumachen.
Trotz großer Scham, den Täter anzuzeigen, wählen Frauen immer häufiger diese Nummern:
Infonummer Anti-Gewalt-Netzwerk Wipptal: 0472 726027
Frauenhausdienst Brixen – Notfallnummer: 800601330
Notfallnummer 112: täglich und rund um die Uhr erreichbar.
Initiiert haben die Aktionstage das Anti Gewalt Netzwerk Wipptal, die Bezirksgemeinschaft Wipptal, der Gemeinde Sterzing und der Tourismusgenossenschaft Sterzing Pfitsch Freienfeld mit Unterstützung zahlreicher öffentlicher und privater Einrichtungen.