Die Betreuung von Demenzkranken stellt eine Herausforderung für Angehörige und Pflegende dar. Vor diesem Hintergrund hat das Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen in Zusammenarbeit mit der Vereinigung ASAA (Alzheimer Südtirol Alto Adige) in diesem Jahr eine Untersuchung zur Pflegebelastung der Hauptpflegepersonen von Menschen mit Demenz gestartet. Im Sommer 2024 wird das Augenmerk auf die Situation im Bezirk Wipptal gelegt. Wer daheim eine Person mit Demenz pflegt, ist dazu aufgerufen, an der Studie teilzunehmen. Durch eine Bedarfsanalyse soll die Notwendigkeit geeigneter Unterstützungsmaßnahmen für Pflegende in Südtirol aufgezeigt werden.
Ziel der Studie „DEM-CARE Südtirol/Alto Adige 2024 – 2026“ ist es, die aktuelle Situation der Pflegebelastung der Hauptpflegepersonen von Menschen mit Demenz in Südtirol zu beschreiben und den konkreten Bedarf an Maßnahmen aufzuzeigen. „Da derzeit keine Daten zu den Pflegenden von Personen mit Demenz im häuslichen Umfeld vorliegen, kommt unserer Studie eine große Bedeutung bei“, betont Dr. Adolf Engl, Präsident des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. „Die Studienergebnisse können darüber Aufschluss geben, wie eine Verbesserung der häuslichen Versorgungssituation gelingen kann“, so Dr. Engl. Die Studienleitung obliegt Dr. Barbara Plagg, Demenzforscherin und Humanbiologin am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Die Studie zur Pflegebelastung der Hauptpflegepersonen von Menschen mit Demenz in Südtirol hat im Februar begonnen und ist auf einen Erhebungszeitraum von zwei Jahren angelegt. Eine geschulte Person wird die Menschen zuhause besuchen, um die Daten zu sammeln. „Die Hausbesuche ermöglichen es, den Teilnehmern keinen großen Aufwand zuzumuten. Eine Datenerheberin füllt gemeinsam mit der Hauptpflegeperson einen Fragebogen aus. Das Gespräch dauert 45 Minuten“, erläutert Dr. Barbara Plagg. Nur falls möglich wird auch mit der Person mit Demenz ein kurzes Screening gemacht, das 5 bis 10 Minuten dauert.
„Unter dem Begriff ,Hauptpflegeperson’ wird jene Person verstanden, die als verantwortliche Laienpflegeperson einem demenzkranken Menschen hilft und seine Pflege übernimmt“, erklärt Dr. Plagg. Hauptpflegepersonen können Angehörige sein, aber es kann sich auch um eine bezahlte Pflegekraft handeln, z.B. eine sogenannte ,Badante’. An der Studie können alle Personen teilnehmen, die in Südtirol ansässig sind und daheim eine Person mit Demenz pflegen. Bei der Rekrutierung der Teilnehmer wird das Augenmerk nun auf den Bezirk Wipptal gelegt.
Die Studie wurde vom Südtiroler Ethikkomitee für die klinische Forschung genehmigt und wird nach den geltenden Datenschutzrichtlinien durchgeführt. „Pflegende werden nur nach erfolgter Aufklärung und dokumentierter Einwilligungserklärung in die Studie einbezogen. Auch Patienten mit Demenz können sich nur daran beteiligen, sofern eine sachwalterliche Einwilligung vorliegt. Alle Daten werden anonymisiert“, erklärt Dr. Plagg.
Die Auswertung der Daten der Studie soll dazu beitragen, konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Hauptpflegepersonen in Südtirol auszuarbeiten. „Im Rahmen der Untersuchung wollen wir auch gemeinsam mit dem Studienpartner ASAA Initiativen ins Leben rufen, um Südtirols Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren“, so Dr. Engl. „Für Personen mit kognitiven Schwierigkeiten, die zuhause gepflegt werden und deren Diagnose ausständig ist, helfen wir in der Terminvereinbarung für eine diagnostische Abklärung“, erläutert Institutspräsident Dr. Engl.
„Bisher konnten Untersuchungen deutlich machen, dass die Pflegebelastung sowohl von krankheitsbezogenen als auch von sozialen und demographischen Faktoren beeinflusst wird. Die Pflegebelastung hängt wiederum mit den verfügbaren Unterstützungsangeboten zusammen“, betont Studienleiterin Dr. Barbara Plagg. „Selbst wenn die Erkrankung und die damit verbundenen Herausforderungen zunehmen, sind eine Entlastung und ein guter Weiterverbleib in einer häuslichen Pflegesituation möglich, wenn es ein stützendes Versorgungsangebot gibt. Damit aber klar ist, wo die Schwächen im System liegen, welche Angebote nützlich wären und überhaupt angenommen werden, müssen wir uns die Pflegesituation im häuslichen Kontext anschauen. Genau das wollen wir mit unserer Studie machen.“ Im Zuge der Corona-Pandemie konnte eine Zunahme der Pflegebelastung für Hauptpflegepersonen festgestellt werden.
Mit dem Fortschreiten einer Demenzerkrankung verschlimmern sich die Symptome. „Für eine Laienpflegeperson, die in einer emotionalen Beziehung zu der Person mit Demenz steht, ist eine solche Pflege auf Dauer ein physischer und psychischer Kraftakt, der für Außenstehende kaum vorstellbar ist. Weil das so anstrengend ist, wissen wir aus der wissenschaftlichen Literatur, dass Pflegende ein höheres Risiko für unterschiedliche Erkrankungen haben. Gleichzeitig gibt es aber nicht ausreichend spezialisierte Heimplätze für Personen mit Demenz und viele Personen wünschen sich, zuhause bleiben zu können“, betont Dr. Plagg. Genau aus diesen Gründen sei es wichtig, das häusliche Pflegesetting in Südtirol unter die Lupe zu nehmen, um Pflegende besser zu entlasten. „Geht es den Hauptpflegepersonen gut, geht es den Menschen mit Demenz gut und die Betreuungssituation zuhause kann länger erhalten bleiben.“
Anmeldung zur Demenzstudie sind unter der Rufnummer 345 4307904 möglich.