Auf einer im Dringlichkeitswege einberufenen Sitzung haben die Gemeinderäte von Sterzing am Dienstag (14. Mai) die Unterzeichnung eines Vergleichs mit der ASPIAG Service GmbH mehrheitlich zugestimmt. Damit muss die ASPIAG das ursprünglich geforderte Hotel nicht mehr errichten, die Gemeinde erhält im Gegenzug 500.000 Euro.
Nachdem der Beschlussantrag der SVP, mit dem die Einholung eines weiteren, unabhängigen Rechtsgutachtens – es liegen zwei Gutachten von Rechtsanwalt Hartmann Reichhalter und des Revisors vor – gefordert wurde, mehrheitlich abgelehnt wurde, ging es in der Diskussion ans Eingemachte. SVP-Rat Werner Graus sah sich in der Pflicht, vor der Abstimmung noch einmal „auszuholen und einige Punkte ins rechte Licht zu rücken“. Vor allem kritisierte er den „Schlingerkurs“ von Rechtsanwalt Reichhalter, der den Raumordnungsvertrag – 2010 mit der ASPIAG Service GmbH abgeschlossen – ausgearbeitet hat; die Zusatzvereinbarung mit der Verpflichtung eines Hotelbaues wurde mittlerweile vom Verwaltungsgericht annulliert, da „ein Hotel nicht Gegenstand eines Raumordnungsvertrages sein könne“. 2018 habe Reichhalter in der Tagespresse verlautbart, dass er der Gemeinde empfehle, in Berufung zu gehen und das Urteil anzufechten. In einem Rechtsgutachten vom 10. April 2024 hielt Reichhalter fest, dass beide Entscheidungsmöglichkeiten der Gemeinde – sowohl für als auch gegen den Abschluss des Vergleichs – zulässig seien und gegenüber dem Rechnungshof gerechtfertigt werden könnten. „Konkret: In beiden Fällen trägt die Gemeinde keine Kosten. Bei Annahme des Vergleichs erhält sie zusätzlich zu den bereits vollständig erbrachten Leistungen laut Raumordnungsvertrag eine weitere Summe in Höhe von 500.000 Euro, wohingegen sie bei Nicht-Annahme des Vergleichs die Möglichkeit des Erhalts der höheren Summe von 1,8 Millionen Euro hat und jedenfalls auch im Falle des Unterliegens im Gerichtsverfahren vor dem Staatsrat keinen eigentlichen Schaden nimmt“, zitierte Graus aus dem Gutachten. In einem weiteren Gutachten vom 3. Mai 2024 halte Reichhalter jedoch fest, dass „aus rechtlicher Sicht und insbesondere aus prozesstaktischen Überlegungen der Abschluss desselben Vergleichs empfohlen wird“. Wie Graus betonte, sei dieses zweite, zum ersten in Widerspruch stehende Gutachten auf ein E-Mail von Bürgermeister Peter Volgger zurückzuführen, mit dem dieser Reichhalter Anweisungen für die Erstellung des Gutachtens gegeben haben soll.
Diesen Vorwurf ließ Bürgermeister Volgger nicht auf sich sitzen. Wie er erklärte, sei das erste Gutachten zu wenig aussagekräftig gewesen. Deshalb habe der Stadtrat beschlossen, von Rechtsanwalt Reichhalter eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie eine eindeutige Empfehlung einzufordern, auf die man sich auch vor dem Rechnungshof stützen könne. Ein positives Gutachten habe auch der für die Gemeinde zuständige Revisor abgegeben. „Wir haben niemandem vorgegeben, wie das Gutachten ausfallen soll“, so Volgger. „Was wir wollen, ist ein klares Gutachten, aus dem eine Empfehlung für den Gemeinderat hervorgeht, dass der Vergleich und die Summe angemessen sind. Bevor wir einen Vergleich unterschreiben, müssen wir Rechtssicherheit haben, die auch vor dem Rechnungshof standhält.“
In einer längeren Diskussion, in der u. a. Stadtrat Markus Larch Best-Case- und Worst-Case-Szenarien erstellte, Daniel Seidner weiterhin ein unabhängiges Gutachten forderte und Evi Frick auf den durch den Vergleich entstehenden volkswirtschaftlichen Schaden einging und dem Stadtrat Käuflichkeit vorwarf, ergriff noch einmal Werner Graus das Wort, das er auch protokollieren ließ. „Sollte die außergerichtliche Vereinbarung vom Gemeinderat angenommen werden, wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit vom Rechnungshof überprüft werden und es kann zur Einleitung eines Prozesses und zu Schadenersatzforderungen kommen – wir sprechen hier von 1,5 Millionen Euro, auf die die Gemeinde verzichtet“, so Graus, der darauf hinwies, dass jeder Gemeinderat für sein Abstimmungsverhalten selbst verantwortlich sei und bei einem etwaigen Vorgehen des Rechnungshofes nicht auf widersprüchliche Rechtsgutachten berufen könne. „Die Haftung vor dem Rechnungshof ist persönlicher Natur und jeder, der für die Annahme des Verglichs stimmt, muss für sein Abstimmungsverhalten geradestehen und kann von diesem persönlich belangt werden.“
Bei der anschließenden Abstimmung stimmten die Räte von SVP und Lega (Werner Graus, Daniel Seidner, Ingrid Pichler, Lydia Untermarzoner, Evi Frick und Roberto Giordani) gegen den Abschluss des Vergleichs, alle anderen Räte stimmten dafür. Der Vergleich wurde bereits tags darauf unterzeichnet.