Am 1. April 1998 wurde am Brenner als wichtigem Grenzübergang zwischen Österreich und Italien die Abschaffung der Passkontrolle im Zuge der Umsetzung des Schengener Abkommens gefeiert. Bei einem Festakt legten seinerzeit Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder und sein Tiroler Amtskollege Wendelin Weingartner persönlich Hand an, um den Grenzbalken zu entfernen. Auf den Tag genau 25 Jahre später erinnerte die Gemeinde Brenner an diesen bedeutsamen Moment am Brennerpass.
Für einen „besonderen Tag für den Brenner, für die Europaregion, ja sogar für ganz Europa“, sprach Bürgermeister Martin Alber in seiner Begrüßung, in der Rückschau hielt auf die Bedeutung des niedrigsten Alpenüberganges im Laufe der Geschichte. „Seit der Antike stand der Brenner immer im Mittelpunkt – und tut es bis heute, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn“, so Alber. Mit dem Abbau der Grenzbalken am 1. April 1989 sei der Brenner auch zu einem Zeichen des Friedens und des friedlichen Zusammenlebens geworden. „Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass es hier immer noch eine Grenze gibt, wie uns in der Coronazeit deutlich vor Augen geführt wurde.“
Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner, betonte, dass dieser Tag wie jener vor 25 Jahren Einzug in die Geschichtsbücher halten werde. Sein Dank erging an die damaligen Landeshauptleute Luis Durnwalder und Wendelin Weingartner für ihre Vision und ihr Durchhaltevermögen. „Seit 25 Jahren können wir von einem gemeinsamen Tirol sprechen, in vielen Bereichen hat sich gezeigt, dass die Chemie zwischen Nord und Süd stimmt“, so Mühlsteiger, der dazu aufrief, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern und das Erreichte an die künftigen Generationen weiterzugeben.
Von einer „prosperierenden Region Tirol, die Sicherheit und Wohlstand bietet“, sprach Anton Mattle, Landeshauptmann von Tirol. Er rief dazu auf, gemeinsam die Stimme zu erheben, wenn es um gemeinsame Themen geht.
„Emotionaler Akt“
In persönlichen Erinnerungen an diesen historischen Moment zeichnete Landeshauptmann a. D. Luis Durnwalder den Weg zum Schengen-Abkommen nach. „Die Geschichte hat uns gezeigt, dass Probleme nur durch Gespräche und Zusammenarbeit gelöst werden können, niemals aber mit Krieg“, mahnte Durnwalder. Deshalb sei es zu wenig, allein das Datum zu feiern; vielmehr müsse weiterhin die Idee dahinter in den Mittelpunkt gerückt werden.
In seinen Erinnerungen kramte auch sein damaliger Tiroler Amtskollege Wendelin Weingartner, der den Wegfall der Grenze als „sehr emotionalen Akt“ bezeichnete, da seitdem „die Grenze, die Tirol durchschnitten hat, etwas weniger sicht- und spürbar, dafür aber durchlässiger“ geworden sei. „Der Verbindungsgedanke ist auch der Grundgedanke der Europaregion Tirol“, so Weingartner. „Es hat sich gezeigt, dass wir ‚alten Mander‘ damals auch an eine gemeinsame Zukunft unseres Landes gedacht haben. Wir sind alle Tiroler – und mir kommt vor, das ist immer was B’sonderes.“
Wie sie den Tag vor 25 Jahren in Erinnerung behalten haben, darüber berichteten auch die beiden damaligen Bürgermeister von Brenner und Gries am Brenner, Christian Egartner und Wilhelm Schöpfer.
Nach Grußworten von Landesrat Massimo Bessone und Senator Meinhard Durnwalder wurde unter den Klängen der Vereinskapelle Gossensaß der offizielle Teil des Festaktes beendet. Anschließend wurde im Restaurant „Terminus“ eine kleine Fotoausstellung gezeigt, die Günther Ennemoser, Gemeindechronist von Brenner, zusammengetragen hat.
Kleines Europa in Europa
Zu einem Festakt im Plessi-Museum hatten bereits am Vormittag die Südtiroler Volkspartei, die Tiroler Volkspartei sowie die jeweiligen Europaparlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) und Barbara Thaler (ÖVP)geladen. Für Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher ließ „das Schengener Abkommen das Land Südtirol und die Republik Österreich wieder enger zusammenrücken“. „Auf dem Weg hin zur europäischen Einigung war der Wegfall der Grenzkontrollen für uns ein großer wie bedeutender Schritt“, betonte er. „Heute wächst in unserer Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino wieder zusammen, was zusammengehört, um es mit Willy Brandt auszudrücken. Mit unserer kulturellen und sprachlichen Vielfalt verstehen wir uns als Brücke zwischen dem deutsch-österreichischen und dem italienischen Kultur- und Wirtschaftsraum. Die Euregio bietet den geeigneten Rahmen, um die Zusammenarbeit in diesem Sinne zwischen den Ländern weiter auszubauen, ganz im Sinne eines kleinen Europas in Europa.“
Das Gemeinsame vor das Trennende
Südtirols Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder ist überzeugt, dass es „wichtig war, dass sich Österreich und Südtirol trotz dieses Grenzbalkens nie auseinanderdividieren haben lassen und mit der Gründung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino eine neue, moderne Form der länderübergreifenden Zusammenarbeit gefunden haben. Auch wenn die Zerreißung Tirols immer Unrecht bleiben wird, geht unser Blick nach vorne. Heute sind Südtirol, Tirol und das Trentino durch viele Kooperationsprojekte eng miteinander verbunden. Sei es im Bereich der Wissenschaft und Forschung, der Bildung, bei Kunst und Kultur oder beim Ehrenamt – die Euregio führt uns eng zusammen und stellt das Gemeinsame vor das Trennende.“
Bevölkerung an der Transitroute entlasten
„Vor 25 Jahren, damals als Bürgermeister von Galtür, haben mich die Fernsehbilder zum Fall des Grenzbalkens am Brenner sehr bewegt“, erinnerte sich Tirols Landeshauptmann Anton Mattle. „Endlich, über drei Jahre nach dem EU-Beitritt Österreichs, ist die Passkontrolle zu Italien und Deutschland weggefallen. Insbesondere am Brenner ist damit der verbindende Europa-Gedanke um vieles spürbarer geworden und gleichzeitig Trennendes in den Hintergrund getreten“, so Landeshauptmann Mattle. „Ich bin mir als Landeshauptmann bewusst, dass an dieser Grenze noch immer bestehende Barrieren abgebaut werden müssen – auch wenn jetzt bereits die erste Bohrmaschine den Vortrieb eines Haupttunnels des Brennerbasistunnels erfolgreich beenden konnte. Der Brenner ist für den Transitverkehr nach wie vor das Nadelöhr Europas schlechthin. Unsere intensiven Anstrengungen gelten auch im Sinne des Klimaschutzes ungebrochen der Entlastung der Bevölkerung an dieser Transitroute.“
1,8 Millionen Menschen sind hör- und sichtbarer
Tirols Alt-Landeshauptmann Wendelin Weingartner betonte: „Wie ich damals mit Luis Durnwalder den Grenzbalken zwischen Tirol und Südtirol aus den Angeln hob, haben wir die Unrechtsgrenze am Brenner unsichtbarer machen können. Der historische Augenblick ist mir als Landeshauptmann sehr nahegegangen. Schon immer habe ich die Botschaft vertreten, dass beide Landesteile vor allem in den Köpfen und Herzen der Menschen dies- und jenseits des Brenners weiter zusammenwachsen müssen. Damit stünde uns eine wirksame Zukunftschance zur Verfügung – auch weil Tirol und Südtirol gemeinsam mit dem Trentino mit insgesamt 1,8 Millionen Einwohnern viel hör- und sichtbarer in einem vielfältigen Europa sind.“
Im Bild (v. l.) Landeshauptmann a. D. Luis Durnwalder, der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle, Bürgermeister Karl Mühlsteiger (Gries am Brenner), Bürgermeister Martin Alber (Brenner) und Landeshauptmann a. D. Wendelin Weingartner.
bar/LPA