Am Donnerstag (26. Jänner) hat im „Wipptaler Hof“ in Trins eine Pressekonferenz zur aktuellen Verkehrssituation auf der Brennerautobahn A13 stattgefunden. Zur Konferenz luden Planungsverbandobmann und Bürgermeister der Gemeinde Steinach, Florian Riedl, der Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner, Karl Mühlsteiger, die Präsidentin der Bezirksgemeinschaft Wipptal, Monika Reinthaler, der Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes, Andreas Schatzer, sowie der Bürgermeister von Sterzing, Peter Volgger. Gemeinsam wiesen sie auf den stark gestiegenen Verkehr hin und brachten ein Strategiepapier mit Forderungen und Lösungsvorschlägen vor.
2025 steht die Sanierung der Luegbrücke an, der längsten Brücke der österreichischen Brennerautobahn A13. Bereits seit Monaten ist die Bevölkerung nördlich und südlich des Brennerpasses in Sorge, da die Autobahn während der Bauzeit im Bereich der Baustelle nur noch einspurig befahrbar sein soll. „Jeder kann sich ausmalen, was sich bei den aktuellen Verkehrszahlen auf der Brennerroute - rund elf Millionen PKW und 2,5 Millionen LKW - im Raum Wipptal abspielen wird“, so
Planungsverbandsobmann Florian Riedl. Auf lokaler, landespolitischer Ebene und vor allem innerhalb der Euregio seien in den vergangenen Jahren zwar zahlreiche Beschlüsse gefasst worden, darunter eine Gesamtentlastungstrategie auf A12 und A13, ein Slot-System, ein Nein zur dauerhaften Kapazitätserweiterung auf der bestehenden Autobahnstrecke sowie die Forderung an die Autobahngesellschaft Asfinag, ein Baustellenmanagement vorzulegen und den Verlagerungseffekt auf das niederrangige Straßennetz zu erheben. Da mittlerweile aber die Zeit davonlaufe und der Termin Brückensanierung immer näher rückt, haben sich im vergangenen halben Jahr Vertreter nördlich und südlich des Brenners intensiv ausgetauscht, um auf Grundlage dieser Beschlüsse, Papiere und Willensbekundungen strategische Maßnahmen festzulegen und Forderungen zu definieren. Die Einspurigkeit bei der Lueg-Brücke sei nämlich kein lokales Thema, wie es europäische Vertreter, darunter die EU-Abgeordnete Barbara Thaler, bezeichnet haben, sondern werde spätestens dann zu einem überregionalen Problem, wenn der Stau nicht nur bis Sterzing, sondern bis Trient und weit über Tirol hinaus reicht.
„Tunnel wäre perfektes Instrument“
Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner, hat bereits vor rund 15 Jahren gemeinsam mit einer Delegation von Bürgermeistern bei der Asfinagspitze eine Tunnellösung für Lueg und andere Bereiche des Wipptales gefordert, um Lebensraum zurückzugewinnen. „Ein Tunnel wäre für uns das perfekte Instrument“, so Mühlsteiger. Während der gesamten Bauphase des Tunnels könnte der komplette Verkehr auf der Brücke belassen werden. Nach Fertigstellung des Tunnels werde der Verkehr recht unkompliziert in den Tunnel umgeleitet, und die Brücke könnte abgetragen werden. Dieser Vorschlag, so Mühlsteiger, war aber angeblich nicht gewünscht. Ein Fiasko sei somit vorprogrammiert. Aufgrund der Inflation und Teuerungsrate werden die Sanierungskosten in horrende Millionenhöhe steigen, befürchtet Mühlsteiger. Nahe liege auch die Befürchtung, dass weitere sanierungsbedürftige Baulose bis Innsbruck Süd in der gleichen Dimension ausgebaut werden wie die Luegbrücke. Je attraktiver die A13 gestaltet wird umso eher werde der Brennerbasistunnel laut Mühlsteiger zum Milliardengrab, weil man eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene nicht mehr erreichen werde.
„Brauchen Planungssicherheit“
Unternehmer Thomas Nocker, der im Bereich Metallbau in Navis rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, fordert von der Asfinag einen genauen Plan, wie der Verkehrsfluss koordiniert wird, sollte der Baustellenbereich Luegbrücke nur noch einspurig befahrbar sein. Schließlich stehe man als Unternehmer in der Verantwortung, die Ware verlässlich zum Kunden zu bringen. Ein hoher Anteil an Fahrzeugen auf den Bundesstraßen wäre für ihn eine Katastrophe. „Wenn man uns abschneidet, kann unser Betrieb nicht mehr existieren. Man entzieht uns die wirtschaftliche Basis“, so Nocker.
„Bevölkerung ist am Ende“
Auch der
Südtiroler Gemeindenverbandspräsident Andreas Schatzer sorgt sich darum, was die Einspurigkeit an der Lueg-Baustelle in den Dörfern entlang der Brennerroute auslösen wird. Schatzer ist zudem Bürgermeister von Vahrn, einer Gemeinde, in der – wie er sagt – die Luft-, Lärm- und Umweltbelastung seit langem jegliche Grenze überschreite. „Die Bevölkerung ist wegen des vermehrten Verkehrsaufkommens am Ende.“ Ähnliches berichtet auch Peter Volgger, Bürgermeister von Sterzing. „Sterzing ist eine der bekanntesten Städte Europas. Weil jeder weiß, dass hier Stau ist.“ In den vergangenen Jahren habe der Verkehr laufend zugenommen, die Kolonnen Richtung Süden reichen mittlerweile bis nach Klausen und Brixen. An verkehrsreichen Tagen passieren rund 20.000 Fahrzeuge die Ampel an der Kreuzung in Sterzing. „Dank google maps“ werden an Autobahnstautagen alle Seitenstraßen verstopft, weshalb Betriebe nicht mehr ihre Kunden, Arbeitende nicht mehr ihren Arbeitsplatz, und Zivilschutzorganisationen nicht einmal mehr den Einsatzort erreichen. „In erster Linie geht es um die Sicherheit unserer Bürger“, so Volgger.
Zwar bemühe sich die A22-Gesellschaft, Lärmschutzwände zu errichten und andere Verbesserungen einzuführen. Aber die Maßnahmen reichen nicht aus, so Schatzer. Er betont, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen Österreich und Italien sei, um auch in Südtirol ein Abfahrtverbot und ein LKW-Fahrverbot auf Landes- und Gemeindestraßen einführen zu können. Notwendig sei auch ein besseres Parkleitsystem für LKW, da die Parkplätze in der Sadobre oft überfüllt seien und LKW in den Dörfern entlang der Straßen und auf der Autobahn parken. Die Landesregierung hat eine Machbarkeitsstudie zum so genannten „Brenner Digital Green Corridor“, vorgestellt. Ein Slot System könne laut Schatzer grundsätzlich Verbesserungen hervorbringen, aber vor allem brauche es vertragliche Vereinbarungen, und zwar zwischen allen drei Staaten Italien-Österreich-Deutschland, ansonsten sei dieses System nur sehr schwer umsetzbar.
„Schnittstelle Euregio“
„Wir wollen den Verkehr nicht verteufeln. Wir brauchen ihn, er ist wichtig für unsere Gesellschaft und für die Wirtschaft. Aber die Grenze der Belastbarkeit ist längst überschritten“, so
Monika Reinthaler, Präsidentin der Bezirksgemeinschaft Wipptal, über den Durchzugsverkehr, der dem Wipptal kaum Wertschöpfung, dafür aber ein reichliches Maß an Lärm, Bedenken für die Gesundheit, Umwelt-, die Luftverschmutzung hinterlasse. „Wir brauchen kurzfristige und langfristige Maßnahmen, die nicht nur auf Papier festgeschrieben sind, sondern umgesetzt werden.“ Zudem müsse in der Euregio eine verantwortliche Stelle geschaffen werden, die dafür sorgt, dass die Beschlüsse und Ideen durchgeführt, überwacht und koordiniert werden.
„Forderungspapier bereits ab morgen umsetzbar“
In einem dreiseitigen Papier fordern die Vertreter u. a., dass sich die Autobahngesellschaften grenzüberschreitend abstimmen und einen Masterplan festlegen, wie vorgegangen wird, sobald sich Stau bildet. Auch Behörden nördlich und südlich des Brenners sollen sich auf Planungsverbandebene und Regionsebene austauschen. Dasselbe gilt für die italienische und österreichische Bahn. Weitere zentrale Forderungen sind die Rückgewinnung des Lebensraumes, die ganzjährige Erreichbarkeit der Bevölkerung für Einsatzfahrzeuge, Rettung, Feuerwehr und Polizei sowie die individuelle Bewegungsfreiheit der einheimischen Bevölkerung auf dem niederrangigen Netz an Stautagen, die enge Zusammenarbeit in Verkehrsfragen zwischen Nord-, Süd- und Osttirol, die umweltmedizinische Evaluierung der Auswirkungen von Ultra-Feinstaub, die Anbringung von Feinstaub-Messstellen nördlich und südlich des Brenners, ein grenzüberschreitender Halbstundentakt Trient-Innsbruck im Personennahverkehr mit Einbeziehung aller Bahnhöfe, die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene, die laufende Anpassung und – falls notwendig – die Erweiterung und Verschärfung der temporären Abfahrtsverbote, die Realisierung einer Umfahrung in Gossensaß und Mauls und eine Lösung der Parkplatzsituation in der Sadobre.
Das Strategiepapier ist von mehreren politischen Akteuren und Bürgern dies- und jenseits des Brenners ausgearbeitet worden, unter ihnen auch Martin Alber, Bürgermeister der Gemeinde Brenner, der zur Pressekonferenz allerdings nicht erschienen ist (das
Nachrichtenportal salto.bz hat die Hintergründe dazu recherchiert).
Hoffnungsschimmer Zweispurigkeit
Das Forderungspapier soll nun „auf allen politischen Ebenen“ eingereicht werden. Die Umsetzung, so Riedl, könnte nämlich bereits mit morgen beginnen. Zuallererst sei die Kapazitätsgrenze auf der B182 auf der Staatsstraße zu eruieren, sollte es zu einer Einspurigkeit kommen. Wie sind die Verkehrsströme zu verlagern? Wo kann man sie dosieren? Gefordert werden auch Ampelsysteme auf dem niederrangigen Straßennetz.
Groß ist vor allem die Hoffnung, dass der Verkehr während der Bauphase doch zweispurig verlaufen kann. „Statiker haben bestätigt, dass auf der Luegbrücke grundsätzlich eine Zweispurigkeit erreicht werden kann, wenn die PKW auf der Außenspur und die LKW auf der Innenspur fahren“, so Florian Riedl. Wie die Verkehrsströme zu leiten sind sei von Planern im Detail zu eruieren.
rb
Im Bild (v.l.): Unternehmer Thomas Nocker, Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner, Florian Riedl, Obmann des Planungsverbandes Wipptal und Bürgermeister von Steinach am Brenner, Monika Reinthaler, Präsidentin der Bezirksgemeinschaft Wipptal, Peter Volgger, Bürgermeister der Gemeinde Sterzing sowie Andreas Schatzer, Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes