Politik
Pfitsch: Gefahrenzonenplan vorgestellt
25.04.2021
Rund 70 Zuhörer verfolgten im April online die Vorstellung des Gefahrenzonenplanes von Pfitsch. Der Plan listet zahlreiche Gefahren auf, die im besiedelten Gemeindegebiet durch Bäche, Steinschlag, Muren, Rutschungen und Lawinen entstehen können.
Monatelang haben Techniker in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesämtern Naturgefahren wie Wasser, Geologie und Lawinen in den urbanistisch relevanten Zonen in Pfitsch analysiert und aufgezeigt, inwieweit sie die hier lebende Bevölkerung gefährden können. Kartiert sind die Ergebnisse im Gefahrenzonenplan, der fortan die Entwicklung der Gemeinde steuern wird und dabei helfen soll, Auswirkungen von Naturgefahren zu vermeiden bzw. zu verringern. In der Einschätzung des Ist-Zustandes sind auch vergangene Ereignisse wie Hochwasser, Muren- oder Lawinenabgänge berücksichtigt. Der Gefahrenzonenplan ist auf eine maximale Wiederkehrdauer von 300 Jahren (zehn Generationen) ausgelegt und als dynamisches Instrument zu verstehen, d. h. der Plan kann sich jederzeit ändern, wenn sich neue Gefahrenquellen auftun oder durch Schutzmaßnahmen Verbesserungen erzielt werden. Ausgearbeitet hat den Plan eine Bietergemeinschaft (Mountain-eering srl, Cisma srl, A.I.A. Engeneering srl, Geo3) um Koordinatorin Silvia Simoni.
Die Farben und ihre Bedeutung
Rot gekennzeichnete Zonen (H4) im Gefahrenzonenplan bedeuten sehr hohe Gefahr. Gebäude und Infrastrukturen könnten bei einem Naturereignis stark beschädigt bzw. komplett zerstört werden, Menschen sterben oder sich schwer verletzen. In blauen Zonen (H3) herrscht hohe Gefahr vor. Personen könnten sich verletzen, Gebäude und Infrastrukturen beschädigt werden, soziale und wirtschaftliche Aktivitäten sind nicht oder nur noch eingeschränkt möglich. Die Farbe Gelb (H2) kennzeichnet mittlere Gefahr. Die Gesundheit der Menschen ist nicht bzw. kaum gefährdet, es ist mit geringen Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen zu rechnen.
Gefahr durch niedrige Brücken
Die Wassergefahr in Pfitsch geht vor allem von Brücken aus, die nicht hoch genug sind, um das Hochwasser ausreichend abfließen zu lassen, etwa in St. Jakob, Überwasser und Wiesen. Der Pfitscherbach und seine vielen Seitenbäche ziehen sich teilweise bis in die Gipfelregionen hoch und haben eine starke Murtätigkeit. 2012 wurden nach heftigen Niederschlägen weite Teile des Tales überschwemmt und vermurt, zwei Menschen kamen ums Leben, Hunderte Zivilschutzkräfte waren im Einsatz, die Schäden waren enorm. Obwohl er in den vergangenen Jahrzehnten kein großes schädliches Hochwasser verursacht hat, wird auch dem Eisack zwischen Maibad und Zusammenfluss mit dem Pfitscherbach ein hohes Schadenspotential zugeschrieben.
Von 52 Wildbächen wurden 31 detaillierter untersucht. Einige von ihnen gefährden Wohnhäuser und Straßen in unterschiedlichem Ausmaß. In Vergangenheit sind mehrere Maßnahmen durchgeführt worden, um besiedelten Gebieten, die sich u. a. auf Schwemmkegeln befinden, mehr Schutz zu bieten. Der Großteil der Häuser befindet sich in einer gelben oder blauen Zone.
33 Lawinen
Auch zur Erhebung der Lawinengefahr wurden Chroniken durchstudiert, Lokalaugenscheine durchgeführt und mit Computerprogrammen Modellierungen erstellt. 33 Lawinen wurden genauer untersucht. Einige von ihnen treffen auf die Langlaufloipe, einige auf Landes- oder Gemeindestraßen. Manche Lawinen könnten Gebäude streifen. Glücklicherweise sind die meisten Wohnhäuser orografisch rechts oder links der Lawinen-Hauptkanäle errichtet worden, der Großteil von ihnen liegt in einer gelben oder blauen Zone.
40 Sturzereignisse
Zu den Massenbewegungen zählen Steinschlag, Sturz, Einbruch, Hangmuren, Rutschungen und tiefgründige Massenbewegungen. Im Gemeindegebiet sind 40 Sturzereignisse, drei Rutschungen und vier Hangmuren ermittelt worden. Die steilen Felswände, etwa an der Bahntrasse in Maibad, sind stark aufgelockert und könnten vor allem im Frühjahr nach Niederschlägen auf die Bahntrasse oder in den Talboden stürzen. Steinschlaggefahr gibt es auf mehreren Straßenabschnitten und in mehreren Fraktionen, auch Gebäude sind betroffen. Das Hochtal gilt aus geologischer Sicht als unproblematisches Gebiet. Eine Ausnahme ist die Europahütte sowie am oberen Parkplatz, an dessen Hang immer wieder Blöcke losbrechen. Dem riesigen Bergsturzareal nordöstlich von Afens wurde eine Restgefahr (grau) zugeschrieben.
Einwände bis zum 13. Mai
Klar ist, dass ein Gebäude in einer roten Zone erheblich an Wert verlieren wird. Doch nicht alle roten Zonen seien gleich zu bewerten, so Volkmar Mair, Direktor des Amtes für Geologie und Baustoffprüfung. Oft sei durch eine Investition in Schutzbauten die Rückstufung von einer roten in eine gelbe Zone möglich. In Südtirol ist als einzige Provinz Italiens auch eine Kubaturverlegung möglich. Bestätigt ein Gutachten, dass es technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht tragbar ist, in Schutzmaßnahmen zu investieren, kann eine bestehende Struktur in einer roten oder blauen Zone abgerissen und an einer sicheren Stelle aufbaut werden.
Über ein Mehrjahresprogramm wird laut Alexander Pramstraller, Direktor des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung Nord, in die Instandhaltung der Schutzbauten investiert, um Flächen und Örtlichkeiten im Sinne der Besiedelung und Bewirtschaftung aufzuwerten. Auch die Brücken im Gemeindegebiet werden wieder „tauglich“ gemacht. Erstmal heißt es aber abwarten, bis der Plan alle Instanzen durchlaufen hat. Erst danach werden ein konkreter Maßnahmenkatalog geschnürt und Prioritäten gesetzt, die dann der Gemeinde vorgestellt werden.
Seit dem 13. April läuft die Frist für eventuelle Stellungnahmen. Innerhalb von 30 Tagen können Bürger Einwände einbringen. Sind sie berechtigt, wird der Plan dahingehend angepasst. Im Herbst wird der Plan voraussichtlich im Gemeinderat zur endgültigen Genehmigung aufliegen.
rb